Mountainman 2010
Torsten Hentsch | 26. August 2010Im Frühjahr hatte ich mich bereits umgeschaut, welchen Ultramarathon ich im Spätsommer/Herbst noch unternehmen könnte. Eigentlich hatte ich bereits nach dem EcoTrail Paris gedacht, dass ich genügend Qulifikationspunkte für den UltraTrail du Mont-Blanc gesammelt hatte. Leider musste ich nach der Ankunft von Paris feststellen, dass die Organisatoren des Laufes die Hürden zur Anmeldung erhöht hatten. Waren bisher vier Punkte nötig, so mußten jetzt fünf Punkte in maximal zwei Wettkämpfen in den Jahren 2009 und 2010 für einen Start in 2011 gesammelt werden. Zwei Läufe mit je zwei Punkten hatte ich schon. Dies sind die erwähnten 80 km vom EcoTrail Paris und die 100 km vom ThüringenUltra aus 2009. So fehlte mir also noch ein Lauf mit drei Punkten. Also im Frühjahr mal die Liste der Läufe durchgestöbert und geguckt, wo es drei Punkte zu erhaschen gab. Als erstes hatte ich an den SwissAlpinMarathon gedacht. Der bringt aber auch nur zwei Punkte. Da entdeckte ich einen neuen Lauf in der Zentralschweiz mit Namen Mountainman. Die Strecke von 81 km klang ganz vertraut und machbar. Na dann, schnell angemeldet und drauf gefreut.
Am Freitag den 20.08.2010 fuhr ich mit gemischten Gefühlen von zu Hause los. Einerseits freute ich mich auf die grandiosen Berge bei vorausgesagten schönem Wetter, andererseits war ich mir bewusst, dass knapp 5000 Meter an Aufstieg und etwas weniger an Abstieg erst bewältigt werden mußten. Die maximale Höhe von 2323 Metern klang da nicht so gefährlich. Am späten Nachmittag erreichte ich den Zielort Engelberg. Dort hatte ich für zwei Nächte ein Zimmer gebucht. Im Hotel Central entlud ich schnell meine Sachen und machte mich auf den Weg zum Startort Alpnachstadt, um meine Startunterlagen unmittelbar an der Talstation der Bergbahn abzuholen. Die Bergbahn ist als steilste Zahnradbahn der Welt ausgewiesen. Auf dem Platz waren etwa 50 Starter versammelt, die entweder bei der Anmeldung und dem Empfang der Unterlagen anstanden oder schon ihre Pasta verschlungen. Nach kurzem Warten erhielt ich alle Unterlagen und einige Anweisungen zum morgigen Lauf. Dabei waren kleine Geschenke, Prospekte, ein Gel, ein Riegel und zwei Anhänger mit meiner Startnummer. Die Anhänger dienten einerseits für die Wechselkeidung, die man zum Zwischenziel schicken konnte und andererseits für die Sachen, die man im Ziel benötigte. Toller Service! Als letztes musste man noch eine Ehrenbezeigung unterschreiben. Danach ging es zur Pastaparty. Man konnte zwischen verschiedenen Nudelarten und Soßen wählen. Meines war echt lecker und offensichtlich mit Liebe zubereitet. Wie üblich bei solchen Parties kam man mit Tischnachbarn gleich ins Gespräch. Eine Dreiergruppe mit Thomas aus dem Wallis berichtete von ihren Trainingsläufen auf der Strecke. Ich konnte mich erinnern, dass ich den Bericht gelesen hatte. Die Laufgruppe war damals von einem Hagelschauer überrascht wurden. Wir glaubten aber nicht, dass uns dies am morgigen Tag ereilen würde. Trotzdem zogen einige dunkle Gewitterwolken auf. Diese sollten sich auf der ersten Hälfte der Strecke am Abend auch noch entladen. Nach kurzer Zeit brach ich wieder auf gen Engelberg. Dort angelangt, beschloss ich noch zwei Schlummerbiere in eine urigen Kneipe zu genießen. Im Hotel bereitete ich mich danach noch gründlich vor. In meinen Rucksack sollten neben einer langen Hose, Verbandsmaterial, Trinkblase, Power-Gels auch eine wasserdichte Regenjacke Platz finden. Auf die Teleskopstöcke verzichtete ich auf Anraten von meinen Bekannten von der Nudelparty.
Um 4 Uhr riss mich mein Handy aus dem Schlaf. Schnell machte ich mich bereit für die Abfahrt gen Alpnachstadt. Die Autofahrt zur Talstation dauert ca. 30 Minuten. Das Auto wollte ich bis zum Abend dort stehen lassen. Am Abend würde sich hoffentlich eine Möglichkeit finden mit dem Zug zurück zu fahren. An der Station gaben wir unsere Rucksäcke für den Zielort ab. Man hätte sie aber auch in der Bergbahn stehen lassen können. Wiederum ein toller Service. Um 5:45 Uhr fuhr die Bergbahn ab. Sie führt auf den Pilatus. Dies ist der Hausberg von Luzern. Einer alten Sage nach soll in einem jetzt verlandeten See Pontius Pilatus seine letzte Ruhestätte gefunden haben. Es soll bei Strafen verboten gewesen sein, den Berg zu betreten. Mit einen Steinwurf in den See hätte man Unwetter und Bergstürze verursachen können. Wir fuhren nicht bis zur Berspitze, sondern nur bis zur Zwischenstation Ämsigen. Wie der Zufall es will, saß neben mir in der Bahn wiederum Thomas aus dem Wallis. Die Fahrt begann noch im Dunkeln und endete nach ca. zwölf Minuten beim Sonnenaufgang. Dies allein war schon grandios!. Da an der Zwischenstation kaum Platz für ein Starterfeld von fast 300 Personen ist, musste die ganze Meute ca. 1,5 Kilometer zum Start zu einem Fahrweg wandern. Auch nicht schlecht. So war man schon am Start leicht erwärmt . Wir waren dann fast auf die Minute genau am Start. Mein Laufjacke zog ich gleich aus. Es waren angenehme 15°C. Mit einem Schuss und einer Silvesterrakete begann das Rennen.
Die ersten Kilometer gingen schnell vorbei, da die Strecke entweder eben oder leicht bergab auf einer Asphatstraße entlang führte. Ein Mitläufer beschwerte sich schon bei mir, dass er kein Asphalt mag. Dies sollte sich bald ändern!
Einen ersten Vorgeschmack bekamen wir kurz nach der ersten Verpflegung. Die Strecke bog von der Forststraße ab über eine sumpfige Kuhwiese. Der Schlamm schwappte über die Schuhe. Der „Spaß“ dauerte zwar nur kurz aber die Schuhe und die Waden waren erst einmal schlammig. Schnell ein Foto gemacht – schlimmer konnte es ja nicht kommen. Dachte ich!
In Serpentinen ging es bergab gen zweiter Verpflegung. Unterwegs gab es doch tatsächlich Läufer, die sich über die Harzquerung unterhielten. So weit weg von zu Hause und die Harzquerung ist bekannt! An den Verpflegunge standen jeweils Erfrischungsgetränke vom Sponsor einem Unterstützer des Laufes zur Verfügung. Weiterhin bekam man Wasser, Bananen, hin und wieder Weißbrot und später auch Buillion, Cola, Gels und Riegel. Leider keine Salzstangen oder andere Leckereien, wie ich es aus Frankreich kannte. Der Veranstalter hat aber versprochen, dass er daran arbeiten wolle. Kurze Zeit später kamen wir am ersten Check- und Wechselpunkt für die Staffeln vorbei. Auf einer Asphaltstraße ging es gesäumt von Helfern und Angehörigen den Berg dort hoch hinauf. 23 Kilometer waren geschafft. Mit meiner Zeit von 2:26:23 war ich recht zufrieden. Kurz gestärkt und keine große Zeit vertrödelt begab ich mich weiter. Meine Maxime ist immer, alles nötige an den Verpflegungen aufzunehmen aber vorher und anschließend gleich weiter zu laufen. Das Weiterlaufen tut auch weh, wenn man länger an einer Verpflegung verweilt. Nach einer kurzen Bergaufpassage begaben wir uns dann in das größte Moorgebiet der Schweiz. Das hatte es in sich! Singeltrails mit extremsten Schlammeinlagen. Jeder Schritt musste wohl überlegt werden. Es kostete Zeit, Kraft und Willen. Zwischendurch gab es auch kurze Abschnitte mit dicken Stämmen als Unterlage auf dem Moor. Die ließen aber auch kein flüssiges Laufen zu. Auch hier musste die Schrittlänge jeweils an die Abstände zwischen ein paar rutschigen Stämmen angepasst werden. Die Steine zwischen dem Schlamm machte es auch nicht einfacher. Einziger Trost, die Steine waren relativ rutschhemmend, da sie aus körnigen Material bestanden. Wäre es Basalt, hätte man nicht mal versuchen können auf sie zu treten.
Die Rinder bestaunten das bunter Läuferfeld, gingen aber sonst ihrer Tätigkeit nach. Hin und wieder musste man sie vorsichtig aber mit Nachdruck des Weges verweisen. Eine leichte Duftnot nach Kuhmist lag öfters über der Landschaft. Man konnte im sanften Morgenlicht aber auch schon den herannahenden Herbst in den Bergen erahnen. Auf den Almen wuchs kaum noch neues Futter heran. Der Almabtrieb wird nicht mehr so lange auf sich warten lassen. Schlammkrusten überzogen meine Waden und Schuhe danach komplett. Ein Moorbad erübrigte sich damit nach dem Lauf. Der schwarze feine Schlamm fand ebenso auch seinen Weg in die Schuhe. An Wasserläufen die wir zu durchqueren hatten, versuchte ich ein wenig von dem schweren Schlamm von den Füßen zu bekommen.
Einige Zeit später kam der erste knackige Anstieg nach Schönbüel. Wie an einer Schnur zog sich die Läuferschar den Berg hinauf. Oben angekommen berichtete der Kontrollposten auf meine Frage nach dem Schlamm, dass es am Vorabend im Gebiet heftig geschauert hatte. Kurze Zeit genoss ich von dort oben den Ausblick und schoss ein paar Fotos auf den Brienzer See. Von dort oben konnte man gut den Abstieg gen Brünigpass verfolgen. Auf einem Grat und später an einer steilen Flanke ging es steil bergab. Oh Mann, ich laufe eigentlich lieber bergauf. Was jetzt kam war nicht unbedingt meine Welt. Das ständige bergab ging ganz schön auf meine Oberschenkel. Auf einem steilen Grat, der teilweise mit Stahlseil gesichert ist, sowie an der der Bergflanke musste man sehr vorsichtig seine Schritten wählen.
Ein paar Meter hätte man schon abrutschen können bei einem Sturz. An jeder Biegung stand aber auch ein Helfer der Bergwacht, der mit einem Fernglas seinen Streckenabschnitt einsah. Einen schönen Dank an diese gute Gefühl der Sicherheit. Die Bergabläufe konnte ich kaum schneller als die Strecken bergauf laufen. Die Sonne wärmte an diesem Abschnitt ganz ordentlich. Meine Konzentration lag zwar deulich darauf nicht fehl zu treten. Nicht desdo trotz durfte man die Flüssigkeitsaufnahme nicht vergessen. Im Tal war der zweite Wechselpunkt in Brünig eingerichtet. 47,5 Kilometer waren schon vorrüber. Für die letzten 24,5 Kilometer hatte ich aber mehr als 4 1/2 Stunden gebraucht. Ich glaube das spricht Bände. An der Kontrollstelle hätte man auch einen Beutel mit Wechselsachen und -schuhen deponieren können. Hatte ich aber nicht. War auch nicht so schlimm. Der Schlamm trocknete langsam an mir. Zweimal hatte ich die Schuhe ausgesogen um Sand und kleine Steine zu entfernen. Vielleicht sollte ich mir doch für das nächste Mal Gamaschen kaufen bzw. aus einem Strumpf anfertigen.
Im Tal ging es eine kleine Weile an einer Bahnstrecke entlang. Endlich konnte ich frohen Mutes meine Beine laufen lassen…. Doch was war das? Ich vernahm ein paar laute Rufe und Pfiffe. Ich drehte mich um. Die Bahnstrecke entlang zu laufen war zu verlockend gewesen. Ich hatte den Abzweig, von wo es wieder bergauf ging, verpasst. Freundlich Mitläufer hatte es bemerkt. Glücklicher Weise war ich mehr oder minder im „Hauptfeld“, so dass doch fast die ganze Strecke Mitläufer an meiner Seite waren. Freundliche Dank an die aufmerksamen Sportler. Wer weiß, wie lange ich falsch gelaufen wäre. Von jetzt an ging es kontinuierlich recht steil den Berg hinauf. Alle konnten nur noch wandern. Jetzt ärgerte ich mich doch langsam, dass ich keine Stöcke dabei hatte. Stockbewährte Läufer kamen doch etwas schneller den Berg hinauf. „Die haben sicherlich aber auch ordentlichen Muskelkater in den Schultern“, versuchte ich mich zu beruhigen. 1100 Höhenmeter in einem Stück rauf zum Berg Gibel dauerte eine ganze Weile. Die Stunden verflogen nur so. In Paris hatte ich für die 80 Kilometer gut neun Stunden gebraucht. Die Strecke dort war auch nicht ganz einfach. Ich hatte vermutet, dass ich in gut zehn Stunden die gesamte Strecke bewälltigen könnte. Komplette Fehleinschätzung! „Na egal“, dachte ich. Ich wollte von jetzt an nur noch die grandiose Landschaft genießen. Mit dem Zeitlimit hatte ich bisher keine Probleme. Läufer die nach 8 1/2 Stunden am zweiten Kontrollpunkt in Brünig ankamen wurden aus dem Rennen genommen. Ich hatte also gut 1 1/2 Stunde Vorsprung vor den cut-off Zeiten. Auf dem Gibel verschnaufte ich zwei Minuten im Gras. Grandios!
Weiter ging es wieder bergab – bergauf. Der dritte Kontrollpunkt am Planplatten bei Kilometer 65 erreichte ich nach 10:37:45. Jetzt waren es nur noch 16 Kilometer. Nur noch eine kurze Trainingsrunde. Abermals ging es abwärts. Hier waren die Wege mit einigem Geröll als Erschwernis auf den Weg gelegt wurden. An der Verpflegung Engstlenalp macht man uns Mut, dass es jetzt nur noch sachte bergauf gehen würde. Ich war die letzten Kilometer mit Klaus aus Karlsruhe zusammen gelaufen. Das Gespräch machte es uns leichter die letzten Strapazen zu überwinden. Die Konzentration ließ jetzt auch langsam nach. Das eine mal glaubten wir, dass wir den Weg verfehlt hätten, da wir keine Markierung und keine Läufer mehr sehen konnten. Wir befürchteten, dass wir falschen lagen und wir bei einem Umweg die Zielzeit nicht mehr schaffen könnten. Kurze Zeit später sahen wir wieder Läufer vor uns. Von da ging es wieder leichter. Der Aufstieg zum Jochpass verlangte nochmals alles.
Mit lauten Warnpfiffen machten die Murmeltiere auf sich aufmersam. Leider bekam man sie nicht zu Gesicht. Langsam zog mit dem Abend auch leichter Nebel auf. Die Temperaturen ging langsam zurück. Dies war aber nicht unangenehm. Endlich kam der Skilift vom Jochpass in Sichtweite. Nun war ich doch komplett allein unterwegs. Das Tempo von Klaus bergauf mit Stöcken konnte ich nicht gehen. Drei Kilometer vorm Ziel war die letzte Verpflegung eingerichtet. Dort macht man mir Mut, dass es „nur“ noch bergab ginge. Na Toll!!! Ein sehr steiles Geröllstück von zwei Kilometer ging es runter. Meine Oberschenkel brannten. Die Steine unter den Füßen gaben keine Halt. So ein Mist! Endlich sah man den Trübsee. Noch schnell ein Foto gemacht. Wer kam mir da entgegen? Thomas aus dem Wallis. Er hatte mir in der Bahn hoch zum Start schon von seinen Knieproblemen berichtet. In Brünig ist er aus dem Rennen genommen wurden. Am Ufer holte ich noch einen Läufer ein. Gemeinsam liefen wir ins Ziel ein und beglückwunschten uns. Mit 13:49:01 belegte ich bei den Männern einen zufriedenstellenden 105. Platz. Insgesamt waren 179 Männer und 24 Frauen ins Rennen gegangen.
Im Ziel gab es eine Finishermütze und ein Erholungsgetränk. Ich holte mir aber als erstes ein alkoholfreies Bier. Das zischte! In der Station der Bergstation am Trübsee konnten wir duschen und unseren Schlamm endlich abwaschen. Mit zwei Seilbahnen wurden wir nach Engelberg gebracht. Ein tolles Erlebnis nahm sein Ende. Mein Auto hatte ich natürlich nicht mehr am Abend geholt. In Engelberg suchte ich mir noch eine leckere Pizza aus dem Holzofen und ein Bier. Danach fiehl ich in meinem Hotel in einen schweren aber unruhigen Schlaf.
Nach dem Frühstück begab ich mich zum Bahnhof. Mit zwei Zügen führ ich nach Alpnachstadt. Dies allein war landschaftlich schon eine Augenweide. Mein Auto wartet dort auf mich, so dass ich in aller Ruhe nun meine Heimreise antreten konnte.
Auf der Strecke zweifelte ich manchmal, ob ich den Ultra-Trail um den Mont-Blanc mir wirklich zutrauen könnte. Jetzt bin ich mir recht sicher, dass ich es probieren werde. Die Punkte sind zusammen. Jetzt fehlt mir nur noch ein wenig Losglück. Vielleicht sind im nächsten Jahr nicht so viele Anmelder, weil die Kriterien ja verschärft wurden. Schauen wir mal, dass ich gesund bleibe und in Ruhe trainieren kann.
Ergebnisse 1. Mountainman
Name | Datum | Veranstaltung | Strecke | Zeit | Platz ges. | Platz AK | Teiln. ges. | Teiln. AK | AK |
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Torsten Hentsch | 21.08.2010 | 1. Mountainman | 81 km | 13:49:01 | 105 | 24 | 179 | 29 | M45 |